VON GERHARD MENKEL

Korbach – Nach dem Abpfiff suchte Uwe Schäfer das Alleinsein. Während die Fußballer des TSV/FC Korbach bedient auf dem Rasen lagen oder sich schon Richtung Kabinen getrollt hatten, grübelte der Trainer nach einer Erklärung für diese Niederlage, die seiner Mannschaft ihren Platz in der Gruppenliga kostete und dem Verein womöglich ein Stück Zukunft. Er fand keine. „Ich bin ratlos“, sagte Schäfer. Und: „Was heute passiert ist, da hätte ich nie mit gerechnet.“
Die Fakten zum finalen Geschehen sind rasch erzählt. Korbach gab am Samstag das letzte Saisonspiel mit 0:2 (0:1) gegen den FV Felsberg/Lohre/Nieder-Vorschütz her, beide Treffer der personell bescheiden bestückten Gäste erzielte Abdullah Al-Omari in der 10. und 75. Minute. Die Verlierer büßten in der Abschlusstabelle einen Rang ein – und zum ersten Mal seit Jahrzehnten sackt der Kreisstadt-Fußball, der in die Tradition des SV 09 steht, ab auf die Kreisebene. Ein Ereignis von historischer Wucht. „Das tut richtig weh“, sagte Schäfer.
„Ein Trainer ist ein Handwerker, er braucht Werkzeug. Wenn er kein Werkzeug hat, kann er nichts bauen.
TSV/FC-Trainer Uwe Schäfer
Belastete die Mannschaft der Druck, oder wiegte sie sich nach den jüngsten guten Vorstellungen in falscher Sicherheit? Wie auch immer: „Kein Wille, kein Biss, kein Zugriff, als ob wir eine Blockade im Kopf gehabt hätten“, stellte Schäfer fest. Für ihn, der vorher beim TuS Arolsen und beim SC Willingen wirkte, war es als Trainer der erste Abstieg.
Ganze drei Torgelegenheiten besaß der TSV/FC. Valerij Walger schoss Torwart Marcel Clobes an (23.), Kopfbälle von Christoph Osterhold (30.) und Steffen Emde (77.) landeten neben dem Kasten. Der Rest war oft planloses Anlaufen, das mit dem Verstreichen der Zeit mehr und mehr Züge von Verzweiflung annahm. Für Kevin Staniek reihte sich die Darbietung in eine Saison ein, die fast von Anfang an Sinnfragen aufwarf. „Die Vorbereitung war gut, danach ging’s bergab, Immer weniger Leute sind zum Training gekommen“, referierte der Spielführer einen oft thematisierten Fakt.
Mit anderen Worten: Der Abstieg als Konsequenz lässt sich nicht an der finalen Partie festmachen. Diesen Blick hatten nicht alle. Matthias Rösner bewertete die 90 Minuten vom Samstag durchaus als Knackpunkt. „Das war definitiv der schlechteste von allen Noteinsätzen“, fand der Routinier.
Er hatte zusammen mit den Osterhold-Brüdern und Jonas Will (fehlte am Samstag) seinen Teil dazu getan, dass der TSV/FC überhaupt in die Lage kam, das Ruder aus eigener Kraft zum Klassenerhalt zu bewegen.
Die Mission der langjährigen Größen an der Hauer ist nun – erfolglos – beendet. „Für meinen Teil endet die Zusage, so schade, so traurig, dass es mit einem Abstieg ist“, sagte Rösner, und Hendrik Osterhold bekräftigte: „Es war von vornherein so abgesprochen, dass wir nur bis zum Saisonende aushelfen würden.“ »
Kommen die erhofften Neuzugänge trotzdem?
Das Trio der Ehemaligen beim TSV/FC Korbach wird sich nach dieser Runde endgültig aufs Altherren-Teil zurückziehen. Und ihre Nachfolger? Ist es für sie nicht einfacher, den Umbruch in der Kreisoberliga statt in der bisherigen Klasse fortzusetzen? „Absolut ja“, meinte Kapitän Kevin Staniek. „Man weiß ja nicht, wofür die Sache gut ist“, fand der scheidende Hendrik Osterhold mit Hinweis auf die vermutlich eng bleibende Personaldecke auch in der tieferen Liga.
Diese Sicht hat Charme – und ihre Tücken. „Die Idee war ja, den Umbruch mit Neuzugängen zu bewältigen, und viele wollen Gruppenliga spielen“, sagte Trainer Uwe Schäfer. Jetzt müsse neu gedacht werden. Die großen Fragen heißen: Wer wird nun tatsächlich an die Hauer wechseln, wer den Verein verlassen.
„Wir hoffen, dass wir nicht noch eine Absagewelle haben und wollen weiter verjüngen“, betonte Abteilungsleiter Volker Schnatz, der am Samstag sichtlich mit der Enttäuschung über diesen Tiefpunkt rang und – erst ein paar Monate im Amt – ihn nun bewältigen muss. Sein fast trotziges Credo: „In der Jugend weiterarbeiten, und dann muss es wieder aufwärtsgehen.“
Immerhin: Die Signale aus dem bestehenden Kader stehen derzeit überwiegend auf Bleiben. Bis auf einen Spieler hätten alle anderen zugesagt, berichtete Schäfer. Sechs A-Jugendliche wechseln die Altersklasse, Planen kann der Trainer auch mit Raphael Leibfacher, der seine Rückkehr aus Höringhausen nicht an die Gruppenliga gebunden hat. Mit anderen Kandidaten will der TSV erneut sprechen.
Einfach weitermachen will Uwe Schäfer nach der Sommerpause nicht. Er formulierte Bedingungen: Was in dieser Saison passiert sei, dürfe sich nicht wiederholen. „Es müssen sich viele hinterfragen. Man sollte aus den Fehlern lernen“, sagte er, Seine Erwartung an die Spieler: eine bessere Einstellung. „Man kann nur das erwarten, was man auch bereit ist, selbst zu geben.“ mn
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Kommentare
In seiner Kolumne „SPIELFELD“ kommentiert Gerhard Menkel von der WLZ den Abstieg des TSV/FC Korbahc aus der Gruppenliga.
Alte Wunden heilen langsam
Der Abstieg des TSV/FC Korbach aus der Gruppenliga ist mit mehr Häme bedacht worden als das bei anderen Vereinen üblich ist. Warum ist das so? Zum einen löst der Sturz eines gefühlt ewigen Platzhirschs fast immer Gefühle von (klammheimlicher) Freude bei den Rivalen hervor. Stärker sind alte Wunden, die Mannschaften des Stammvereins SV 09 in Jahrzehnten als Nummer eins in Waldeck offenbar geschlagen haben. Sie brechen bei solchen Gelegenheiten gerne auf. Die alten Geschichten von den Kreissstädtern, die „zu den Bauern“ aufs Dorf kamen, sind nicht vergessen.
Sie werden die Korbacher in der Kreisoberliga noch eine zeitlang begleiten. Das wissen sie an der Hauer. Sie wissen auch, dass der sportliche Absturz hausgemacht ist und sich in Jahren angebahnt hat. Das Vergraulen von Spielern ist heute vorbei, und in der Jugendarbeit hat der TSV Lücken geschlossen und investiert: Kein anderer Waldecker Verein besetzt solo (noch) alle Altersklassen.
Es ist ungewiss, ob die Senioren davon profitieren werden. Die Bedingungen sind schlechter geworden: Zurückgehende Bindungsbereitschaft paart sich mit verändertem Anspruchsdenken und generell sinkender Fußball-Fokussierung. Dabei hat es der Stadtverein nicht unbedingt leichter als der auf dem Dorf.
Sie werden Geduld brauchen an der Hauer, ein wenig Demut und ein gutes Händchen. Vielleicht gibt es ein Comeback. Es gibt Rivalen – auch das sei betont -, die es Korbach gönnen würden.
gerhard.menkel@wlz-online.de