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Angela Paul wird Geschäftsführerin beim TSV Korbach – damit steht es im Vorstand 4:3 für die Frauen

Von Reinhard Schmidt

Korbach. Wer derzeit das kleine Büro im Vereinsheim des TSV Korbach betritt, trifft auf ein neues Gesicht. Auf Lange und Bitzer folgt Paul. Aber nicht Otto oder Werner, sondern Angela. Erstmals wird im März eine Frau Geschäftsführerin des Turn- und Sportvereins Korbach.

Die 47 Jahre Korbacherin sitzt hinter dem Schreibtisch, davor hat sich der Vereinsvorsitzende Andreas Boltner positioniert und der scheidende Geschäftsführer Werner Bitzer verlässt gerade diesen Raum. Er arbeitet seine Nachfolgerin ein, will ihr aber jetzt nicht reinreden. Damit steht es künftig im TSV-Vorstand 4:3 für die Frauen.

Geld nicht im Vordergrund

Angela Paul ist sich darüber im Klaren, dass diese Anstellung mehr ist, als nur die kaufmännischen Geschicke eines Clubs zu lenken. Sie ist auch Anlaufstelle, um die Ist-Zustände der Mitglieder wahrzunehmen. Die gelernte Industriekauffrau weiß, dass sie dabei auch mal den Kummerkasten spielen muss oder gar den Blitzableiter, der Wutausbrüche am besten charmant in Friedensgespräche umwandelt. Rund 2500 Mitglieder wollen zufriedengestellt werden.

Die schwarzhaarige Frau mit der sonoren Stimme weiß, dass ein Sportverein nicht wie eine Firma geführt werden darf, aber gerade dieser Unterschied hat sie animiert, diesen Teilzeitjob anzunehmen, „Ich arbeite fast nur mit Ehrenamtlichen zusammen, die sind von sich aus sehr motiviert und dadurch steht Geld nicht im Vordergrund, was natürlich in einer Firma anders ist.“

Da auch noch einige andere Vorschriften (Steuer, Gemeinnützigkeit) in einem Verein anders laufen als in der Wirtschaft, beginnt die verheiratete Mutter von zwei Söhnen (8 und 12 Jahre) im April beim Landessportbund in Frankfurt eine einjährige Ausbildung zur Vereinsmanagerin mit Abschlussprüfung. „Das muss sein, damit ich weiß, was ich hier tue“, betont die 47-Jährige, die sich selbst als entscheidungsfreudig einschätzt.

Der Fußball ist nicht so ihr Ding, sie mag neben Radfahren und Schwimmen vor allem die tänzerischen Sportarten. Typisch Frau eben. Und ihr sportlicher Ehrgeiz flüstert ihr zu, dass sie stets zu Fuß in die Geschäftsstelle gehen soll – immerhin ein Marsch vom Paul-Zimmermann-Sportplatz bis zur Hauer. Aber muss eine Geschäftsführerin des TSV Korbach nicht auch wissen, was Abseits ist? Sie überlegt eine Weile, stimmt zu und verspricht: „Hier laufen tagtäglich genug Trainer rum, ich werde es mir von ihnen erklären lassen.“

Nichtfußballer freuen sich

Die Nichtfußballer freuen sich möglicherweise, dass eine Frau ans Geschäftsführungsruder kommt, damit die Gelder endlich gleichmäßiger verteilt werden. Diese Aussage kann Boltner nicht so stehenassen: „Die Fußballer werden bei uns nicht bevorzugt. Werner Bitzer hat alle Abteilungen gleich behandelt. Wenn man die Fußballer selbst fragt, haben sie sogar den Eindruck, dass sie benachteiligt werden, das ist aber eine subjektive Einschätzung, die Zahlen sprechen hingegen eine deutliche Sprache: Alle Sparten bekommen die gleichen Zuteilungen, und was an Mehrbedarf da ist, darum muss sich die Abteilung selbst kümmern.“ Wo möchten sie mit dem TSV in naher Zukunft hin, Frau Paul? Bei dieser Frage muss sie lachen „Ganz weit nach oben – ha, ha, ha – 5000 Mitglieder, ha, ha.“ Lachen wieder einstellen! „Ich möchte neue Mitglieder gewinnen, die jetzigen halten, die Übungsleiter gut ausbilden, aber auch neue Wege gehen und Sport für alle Altersgruppen anbieten.“

Jugend fragen, was sie will

Die schwierigste Klientel für einen Sportverein dürften die 14- bis 18-Jährigen sein. Was will Angela Paul tun, damit diese Jugendlichen dem TSV treu bleiben?

Treu ist ihr Stichwort, um diese Frage erst einmal links liegen zu lassen. „Treue ist für mich ein ganz wichtiger Punkt der Vereinsarbeit. Früher war man ein Leben lang Mitglied. Heute haben wir zwar auch viele Neuanmeldungen, aber auch viele Kündigungen. Wenn ich zu einer Sportart oder Mannschaft Ja sage, dann sollte das auch heißen, in guten wie in schlechten Zeiten. Dass Kinder dieses Gefühl im Verein lernen, ist mir wichtig.“

Eine Antwort auf die Eingangsfrage bleibt Paul aber nicht schuldig. „Wir sollten die Jugendlichen vielleicht mal selbst fragen, was sie in einem Sportverein gern machen würden. Stichwort Trendsportarten.“ Boltner ergänzt, dass der TSV derzeit versuche, Trends wie etwa Freerunning mit Parcour ins Angebot aufzunehmen.

Sportzentrum großes Thema

Der Aufbau eines Sportzentrums für Fitness bis Reha-Sport, das den Verein zunächst an seine finanziellen Grenzen bringen, aber auch neue Einnahmequellen ermöglichen würde, wollen Angela Paul und Andreas Boltner nicht so gern ins Gespräch bringen.

Der Vorsitzende sagt dazu nur: „Das Sportzentrum ist derzeit ein großes Thema im Vorstand, wir führen viele Gespräche mit anderen, um ein Grundstück zu erwerben, Förderungen auszuloten oder Kooperationen zu bilden, aber wir wollen darüber noch nichts in der Öffentlichkeit sagen, damit das Projekt nicht kaputtgeredet wird. Es muss ein gutes Konzept entwickelt werden, weil wir dafür alle mitnehmen müssen.“

Internetauftritt verbessern

Angela Paul hat bereits ein weiteres Thema entdeckt, wo der TSV besser werden sollte: den Internetauftritt und die eigene Vermarktung steigern.

„Wir müssen online viel aktueller werden und jemanden ins Boot holen, der uns dabei hilft.“ Das Gespräch über das weltweite Netz führt Paul gedanklich raus aus diesem engen Raum, raus aus dem Vereinsheim und hinaus in die Welt, nach New York, Shanghai, Paris, Helsinki, Rom und andere Metropolen, wo die 47-Jährige als Exportmanagerin bereits geschäftlich Station gemacht hat.

Oder nach Berlin, London, Frankfurt oder Konstanz, wo sie schon gewohnt hat. Da zieht eine Frau von Welt in das kleine Vereinsbüro.

Zur Person

Zur Person

Angela Paul (47) wurde in Marburg geboren und wuchs in Rosenthal auf. Nach dem Abitur begann sie eine Ausbildung zur Industriekauffrau bei der Frankenberger Firma Thonet. Danach arbeitete sie unter anderem in der Versicherungsbranche und als Exportmanagerin. Sie ist verheiratet, hat zwei Söhne im Alter von 8 und 12 Jahren und lebt in Korbach.

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Die Waldeckische Landeszeitung ist die Heimatzeitung des TSV/FC Korbach und unterstützt den Verein seit vielen Jahrzehnten u. a. mit redaktionellen Beiträgen und Spielberichten. Redakteure: Gerhard Menkel, Manfred Niemeier, Thorsten Spohr, Martin Rinne u.a.